Geschichte
Eine weitere, sehr alte Tradition des Junggesellenvereins Bruchhausen
ist das Fähndelschwenken. Schon über mehrere Generationen hinweg,
ist das Fähndelschwenken und der Fähnrich fester Bestandteil des
Junggesellenvereins und bekleidet hier sogar ein Vorstandsamt.
Doch halt! Was bedeutet hier eigentlich Fähndelschwenken und
Fähnrich? Sieht man im Duden oder im Lexikon nach, so findet man das
Wort Fähndel nicht. Lediglich im Wörterbuch der rheinischen Mundart ist
zu lesen, dass man unter Fähndel eine Fahne versteht, die der Fähnrich
beim Fähndelschwenken gebraucht. Der Ursprung des Fahnen-
schwenkens lässt sich bis in die früheste Geschichte der Menschheit
zurückverfolgen.
Vor vier- oder fünftausend Jahren begannen die Chinesen damit, große
farbige Seidentücher seitlich an Stangen zu befestigen und sie bei
kriegerischen Unternehmungen oder religiösen Prozessionen mit sich zu
führen.
Mit der Seide kamen die Fahnen nach Arabien, wo sie, auf Herrscher
und Führer bezogen, in individueller Farbgebung getragen wurden.
Auch bei den germanischen Völkern, insbesondere bei den
Langobarden, war es Sitte, die eigenen Kampfscharen mit einem Kennzeichen zu versehen. Anfangs bestand dieses lediglich aus einem
Tuch- oder Fellstreifen, welches “Banda” genannt wurde. Später entstand
daraus die uns geläufige Bezeichnung “Fahne”.
Die Bedeutung der Fahne war zunächst rein symbolischer Natur. So
stellte sie zum einen ein Mittel dar, gegen den bösen Einfluss der
gegnerischen Streitkräfte mit dem Ziel, die Kampfmoral der eigenen
Truppe zu stärken. Zum anderen erfüllte die Fahne eine weitere
Funktion im rituellen religiösen Bereich. Durch die ständigen Völkerwanderungen sahen sich die Stämme sehr bald gezwungen, ihre
Götterstatuen, deren Mitnahme sehr umständlich war, durch leichter
zu handhabende Gegenstände zu ersetzen. Als Zeichen der Gottheit
wurden daher immer mehr “Tücher” bzw. “Fahnen” verwendet, die
leichter zu transportieren waren als die unhandlichen und schweren
Götterstatuen. Die Fahne als Symbol magischer, übernatürlicher
Mächte ist bis in unsere heutige Zeit nahezu unverändert erhalten
geblieben. Wie lebendig solche Vorstellungen waren, die Fahne als
Vergegenwärtigung einer höheren Macht und als Garant des Sieges zu sehen,
zeigt die Schrift aus einem Fahnenbüchlein des 17. Jahrhunderts:
“Dann der Fahnen /… den Soldaten solange er in dem Feld fliehet /
Hertz und muth gibt / daß sie nicht allein deß do tapferer streiten /
sondern auch ein Hoffnung oder aber ein Kenntzeichen deß
Sieges haben.”
Die Herkunft des Fahnenschwenkens lässt sich bis ins 6. Jahrhundert
n. Chr. zurückverfolgen. Römische Fahnen- und Bannerträger
(“Banderei”) pflegten dem päpstlichen Umzug voranzugehen, indem
sie ihre Fahnen und Banner zum Zeichen des Jubels und der Freude
schwenkten. Eine Blüte erfuhr das Fahnenschwenken dann im Mittelalter,
wo es bei religiösen, zivilen und militärischen Feierlichkeiten überall
angewandt wurde. So wurden etwa im 15. Jahrhundert überall in Europa
Fahnenschwenkerschulen gegründet, die genaue Regeln und
Vorschriften hinsichtlich des Fahnenspieles erarbeiteten.
Vor allem die Schweizer und Deutsche Nationalschule genoss im
17. und 18. Jahrhundert, hier vor allem in militärischen Kreisen, großen
Ruhm. Ende des 19. Jahrhunderts verliert das militärische Fahnen-
schwenken jedoch immer mehr an Bedeutung, so dass es schließlich
nur noch in einigen Städten Europas, vor allem in der Schweiz und Italien,
gepflegt wurde. Heute, Ende des 20. Jahrhunderts, erlebt das Fahnen-
schwenken wiederum eine neue Blüte in verschiedenen europäischen
Ländern, indem man versucht, durch Verbindung von Antikem und
Modernem, neue, ausdrucksvolle Fahnenspiele zu schaffen.
Der Fähnrich, als Träger der Fahne, genoss von Anfang an hohes
Ansehen innerhalb der Truppe. War er doch, obwohl nicht oberster
Kommandeur, der eigentliche Anführer seiner Truppe. So wundert
nicht, dass an die Persönlichkeit des Fähnrichs selbst hohe Ansprüche
gestellt wurden. Darum soll er, wie es in einer 1565 veröffentlichten
Schrift heißt:
“ein kecker / mannlicher Gesell / der einen Verstand habe /
Kriegserfahren und geübt sey”
Der Fähnrich ist somit Mittelpunkt und Zusammenhalt für seine
Kameraden, da er Führer und Bewahrer des Zeichens ist, in dem allein
sich ihre Einheit konstituiert. Nach diesem Zeichen – der Fahne – führten
die militärischen Einheiten die Bezeichnung “Fähnlein”, ehe sich im Laufe
des 17. Jahrhunderts die französische Bezeichnung “Compagnie”
durchsetzte.
Der Verlust der Fahne bedeutete somit das Erlöschen jeglicher
Gemeinsamkeit und damit zugleich das Ende jeglicher militärischer
Aktion. Die Verteidigung der Fahne ist daher oberste Aufgabe des
Fähnrichs, da sich in ihr das ideelle und ideale Sein der unter ihr
versammelten Kriegskameraden verkörpert. Um die gestellte Aufgabe
zu bewältigen, muss der Fähnrich nun aber im Kampf in der Lage sein,
in der einen Hand die Fahne deutlich sichtbar für alle zu führen und sie
zugleich gegen den Feind zu verteidigen.
Das Fahnenschwenken reiht sich in diesem Kontext somit in die anderen
Waffenspiele mit ein, da nur durch ständige Übung der Fähnrich die
notwendige Gewandtheit in der Handhabung von Waffe und Fahne
erreichen konnte.
Kunstvolle Bewegungen lassen sich allerdings nicht mit jeder Fahne
durchführen. Solche, die etwa an einem festen oder losen Querholz
aufgehängt sind (“Banner”), sind ebenso ungeeignet wie die, die an
langen Stangen oder Lanzen befestigt sind.
Fahnen, die geschwenkt werden, haben daher nur einen kurzen Griff
und werden in der Regel unmittelbar unterhalb des Fahnentuches
gefasst. Nur so ist es überhaupt möglich, eine Fahne zwischen Ober-
arm und Hand durchzudrehen. Um das durch das Fahnentuch hervor-
gerufene Übergewicht einer Schwenkfahne zu beseitigen, wurde und
wird das Stockende mit Blei gefüllt. Dadurch kommt es zu einer Verlagerung des Schwerpunktes an die Stelle des Tuchansatzes, die es
ermöglicht, die Fahne optimal in der Hand zu führen.
Unter der Bezeichnung Fahnenschwingen, Fahnenschlagen oder Fahnenspiel war das heutige Fahnenschwenken schon im Mittelalter fast überall in Deutschland verbreitet. Es galt als hohes Privileg und es wurde nicht selten vom jeweiligen Landesherrn oder der Stadt aufgrund besonderer Dienste verliehen.
Ende des 18. Jahrhunderts begann sich in Deutschland die Blütezeit des
Fahnenschwenkens ihrem Ende zuzuneigen. Der Brauch des Fahnenschwenkens wurde schließlich nur noch in einigen wenigen Teilen
Deutschlands mehr oder weniger intensiv gepflegt, so dass viele
Traditionen und Schulen in Vergessenheit gerieten und heute gar nicht
mehr oder nur noch mühsam rekonstruiert werden können.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Fahnenschwenken wieder entdeckt. Vor allem in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein besann man sich auf die alte Tradition.
Der Bruchhausener Junggesellenverein, sowie fast alle Junggesellenvereine am Rhein, im Westerwald, im Siebengebirge, in der Eifel und im
Vorgebirge, haben dieses mittelalterliche Brauchtum aus dem Mittelalter
in die heutige Zeit hinüber gerettet. Heute wird die Kunst des Fahnenschwenkens nicht mehr in Städten, sondern nur noch in Dörfern und
Vororten von Städten gepflegt.
Doch genug der Geschichte und zurück zum Fähndelschwenken in
Bruchhausen. Wie aus alten Vereinsschriften zu entnehmen
ist, können wir auf eine lange Reihe von Fähnrichen zurückblicken. Bis
zum Jahre 1920 lässt sich die Tabelle, aus dem uns noch vorliegendem
Vereinsbuch, zurückverfolgen und wir sind uns sicher, dass diese noch
um einige Jahre weiter in die Vergangenheit ragt.
Das Fähnrichleben, ist nicht nur bestimmt von der Teilnahme an
Vorstandssitzungen und Festzügen. Nein, ein großer Teil, wenn nicht
sogar der größte Teil seines Fähnrichlebens verbringt der Fähnrich
mit dem Üben an der Fahne.
Hier kommen die alten und die jungen Fähnriche zusammen, um sich
gegenseitig beim Üben zu unterstützen und um neues zu erlernen. So
werden die Fertigkeiten des Fahnenschwenkens von alt zu jung
weitergegeben und bleiben somit über die Jahrzehnte hinweg erhalten.
Natürlich spielen auch der sportliche Ehrgeiz und die persönliche Anerkennung eine wichtige Rolle und so nehmen die Fähnriche jedes Jahr an verschiedenen Preisfähndelschwenken und Meisterschaften teil und sind hier mehr oder
weniger erfolgreich.